2021 war ich nach zwei Fehlgeburten 2019 und 2020 endlich wieder schwanger. Bis auf ein paar Schwangerschaftswehwehchen verlief die Schwangerschaft komplikationslos. Alle Voruntersuchungen waren unauffällig, einzig auffällig im Nachhinein war, dass unsere kleine Maus seit SSW 18 bei jeder Untersuchung immer mit dem Kopf nach unten lag (sie stand bereits in den Startlöchern). An einem Montag hatte ich einen Kontrolltermin bei meiner Gyn in SSW 29+2. Ich berichtete, dass ich seit dem Wochenende das Gefühl hatte, dass die Kleine mir auf den Darm drückt, aber da alles unauffällig war (Gebärmutterhals 3,5 cm, Muttermund geschlossen und CTG unauffällig), waren die Beschwerden nicht so ganz greifbar. Zwei Tage später, also am Mittwoch, hatte ich abends das Gefühl, die Suppe nicht vertragen zu haben, da ich dauernd zur Toilette musste. Nachts hatte ich leichte Krämpfe, habe mir aber nichts weiter dabei gedacht. Am Donnerstagmorgen wurden die Beschwerden stärker, dennoch fuhr ich erst zur Arbeit (es war ja am Montag alles noch in Ordnung). Irgendwann wurden die Schmerzen so stark, dass ich zu meiner Gyn gefahren bin. Im Wartezimmer tigerte ich auf und ab, da ich mittlerweile auch Rückenschmerzen bekommen hatte. Auf dem CTG war wieder nichts zu sehen. Bei der Untersuchung stellte sich dann schnell heraus, dass ich die Praxis nicht mehr auf zwei Beinen verlassen werde, da der Gebärmutterhals nicht mehr messbar war und der Kopf der Kleinen schon drückte. Der Muttermund war bereits leicht geöffnet. Ich wurde per Rettungswagen mit Liegendtransport in die Klinik gefahren. Vielleicht hätte ich auch meine Kleiderwahl mit dem “Mommy in the Making”-Pullover an diesem Morgen besser überdenken sollen.
In der Klinik angekommen, zeigte das CTG immernoch keine Wehentätigkeit. Da mich die Schwester allerdings beobachtet hat, während ich am CTG lag, hat sie umgehend eine Ärztin gerufen, da sie sagte, dass man zwar auf dem CTG nichts sieht, sie mir aber ansieht, dass ich Wehen habe. Nach einer weiteren Ultraschalluntersuchung wurde mir umgehend der stärkste Wehenhemmer gegeben, den sie zu bieten hatten. Ich bekam die Lungenreifespritze und strikte Bettruhe. Eigentlich darf der Wehenhemmer, den ich bekommen habe, nur für 48h gegeben werden, da ich aber trotz der Medikamente immer noch durchgehend Wehen hatte und am Samstag dann noch eine Blutung hinzukam und sich der Muttermund weiter geöffnet hatte, wurde ich eine Nacht im Kreißsaal überwacht und es wurde entschieden, die Medikamente bis zu 72h weiter zu geben. Hinzu kam nun auch noch hochdosiert Magnesium. Am Montagfrüh wurde ich dann von der diensthabenden Schwester von den Infusionen abgeschlossen, da die Indikation für die Medikamente ja nun beendet sei. Zur Erinnerung: Ich hatte unter den Medikamenten trotzdem alle 15-30 Minuten Wehen. CTG wie immer unauffällig. Die Stationsärztin kam dann 3 Stunden später zur Visite. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits alle 7 Minuten Wehen.
Die Ärztin wollte mich nicht untersuchen, um eine Keimverschleppung durch die Untersuchung zu vermeiden. Sie sagte, ich solle einfach noch ein wenig versuchen meine “Wehen weg zu atmen”, verordnete einen anderen Wehenhemmer, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt eigentlich nur noch mein Kind bekommen wollte. Nach einer halben Stunde kam dann die Schwester noch einmal in mein Zimmer und sagte, ich solle jetzt auf eine Untersuchung bestehen. Das machte ich und die Ärztin musste mich dann doch noch untersuchen. Sie sagte daraufhin, sie würde dann mal im Kreißsaal anrufen, da der Muttermund nun 8 cm (!) offen sei und sie den Kopf schon fühlen konnte. Verabschiedete mich mit den Worten “Der Befund kann aber auch schon 2 Tage so sein”. Ich war einfach froh, dass unsere Tochter nun nach 5 Tagen Dauerwehen nun endlich zur Welt kommen durfte. Im Kreißsaal wartete eine ganz liebe Hebamme auf mich, die mich und meinen Mann während der Entbindung liebevoll begleitet hat. Ich war allerdings irgendwann so erschöpft, dass ich einen Wehenbeschleuniger (!) bekommen musste, da die Geburt stockte. Nach 4 Stunden kam unsere Tochter dann nach Dammschnitt in SSW 30+2 mit 1460g und 40cm zur Welt. Während ich noch operiert werden musste, da sich die Plazenta nicht vollständig gelöst hatte, ist mein Mann mit auf die Frühchenintensiv gegangen und durfte bereits kuscheln und wickeln. Noch in der gleichen Nacht kam eine Schwester und leitete mich an, wie ich versuchen sollte, Kolostrum auszustreichen. Am nächsten Morgen war bereits eine Stillberaterin bei mir und erklärte mir die Milchpumpe.
Ich konnte meine Tochter erst mittags das erste Mal sehen. Hatte mir bis dahin unzählige Male ihr Foto angeschaut, das wir im Kreißsaal machen durften, da ich nicht begreifen konnte, jetzt plötzlich Mama zu sein. Ich wollte jede Minute bei ihr sein, aber dennoch konnte ich es nicht so ganz verstehen, dass das jetzt wirklich mein Baby ist, das dort im Inkubator liegt. Nach 4 Tagen wurde ich mit einer Venenentzündung und einer 6-wöchigen Heparinspritzentherapie (man hatte leider vergessen, mir die verordneten Heparinspritzen zu geben, woraufhin sich meine Beinvene entzündet hat) entlassen, während meine Tochter noch bleiben musste.
Zu Hause angekommen, bin ich dann erstmal zusammengebrochen und musste all die Tränen weinen, die ich die letzten 7 Tage tapfer zurückgehalten hatte. Der Gedanke, dass ich oder meine Tochter bei der Entbindung hätten sterben können, kam mir tatsächlich erst wesentlich später.
Es folgten weitere 6 Wochen, in denen wir täglich zwischen Krankenhaus und zu Hause pendelten. Ja, natürlich hatte ich auch meine eigenen Geburtsverletzungen, aber ein Wochenbett gab es für uns nicht. Es war mir egal, ob mir das Sitzen weh tat oder ich eigentlich nicht schwer heben durfte. Immerhin konnte ich mein Baby schließlich nicht alleine lassen und musste meine Muttermilch ins Krankenhaus bringen.
Unsere kleine Maus wurde bereits nach ein paar Tagen auf die Nachsorgestation verlegt, brauchte zu keiner Zeit Sauerstoff und hatte nur für 1 Woche Atemunterstüzung per CPAP. Sie hatte eine leichte Hirnblutung (wen wundert es bei dem Geburtstrauma), die sich komplett zurückgebildet hat. Alles in allem ist sie ziemlich stramm da durch marschiert.
Am Ende war ich fast täglich 12 Stunden bei ihr im Krankenhaus, fast wäre es einfacher gewesen, dort meinen Zweitwohnsitz anzumelden. Die letzten beiden Nächte durfte ich bei ihr in der Klinik schlafen. Nie werde ich den Moment vergessen, als ich sie das erste Mal nach 6 Wochen endlich ohne Maske in den Arm nehmen und küssen durfte. Zum ersten Mal wusste ich nun, wie mein Baby riecht, wie es sich anfühlt, ihre kleine Hand an mein Gesicht zu drücken. Da wir vorher auf einem Mehrbettzimmer waren, war das leider aufgrund der Coronabestimmungen nicht möglich.
In Woche 36+2 durften wir sie dann im November 2021 mit 2385 g und 46 cm Größe endlich mit nach Hause nehmen. Zu Hause angekommen, hat es noch weitere 8 Wochen gedauert, sie an meine Brust zu gewöhnen, da sie es natürlich gewohnt war aus der Flasche zu trinken. Aber wir haben es geschafft. Ich habe voll gestillt bis sie 6,5 Monate alt war und mir das Essen förmlich aus der Hand gerissen hat. Die Zeit der Beikost war somit also für uns eingeläutet. Jetzt ist sie fast 8 Monate alt und wird neben der Beikost immer noch gestillt. Niemals hätte ich am Anfang daran geglaubt, dass wir so weit kommen würden. Ich habe es gehasst abzupumpen, ohne mein Kind bei mir zu haben. Nachts aufzustehen, ohne mein Kind zu sehen und zu sehen, wofür man seine Brüste mit der Milchpumpe quält. In der Klinik konnte ich immer gute Mengen abpumpen, doch kaum war ich zu Hause, kam die Milch nur tröpfchenweise, als hätte jemand den “Hahn zugedreht”. So, so oft hätte ich am liebsten hingeschmissen. Heute bin ich stolz, nicht aufgegeben zu haben. Meine Tochter stillen zu können und unser Wochenbett zu Hause nachzuholen, hat viele Wunden geheilt, auch wenn sie nicht unvergessen sind. Ich bin dankbar, dass es uns gut geht und auch traurig, dass uns fast 10 Wochen der Schwangerschaft “geklaut” wurden, denn ich war einfach unheimlich gerne schwanger. Es gibt eine Million Gefühle, die wir in den letzten fast 8 Monaten durchlebt haben, doch am Ende überwiegt nur eins – unendliche Liebe.