Soviel mehr, als nur Handarbeiten

Ende des Jahres hatte ich in unserem internationalen Frauencafé der Caritas den Verein vorgestellt und gefragt, ob Interesse besteht sich an der Arbeit zu Beteiligen. Die Frauen waren sehr interessiert. Schon beim Treffen darauf brachten sie Sachen mit, die sie ohne jegliche Vorgaben auf gut Glück gehäkelt und gestrickt hatten. Aus der eigenen Tasche – die so oft recht klein ist – hatten sie Wolle gekauft und das was sie an knowhow für Babys im Kopf hatten, für kleine Sternenkinder heruntergerechnet.

Auch heute wieder überraschte mich eine Frau. Sie hatte beim letzten Treffen eine Anleitung für eine Einschlagdecke mitgenommen, jedoch die so typische Häkelabkürzungen und die Fachbegriffe nicht verstanden. Sie hatte aber nicht aufgegeben, sondern sich auf youtube umschaut. Sie war wohl fündig geworden und zeigte mir eine wunderschöne türkise Einschlagdecke mit Kapuze, eingefasst mit weißem Rand. Alles aus selbstgekaufter Baumwolle. Dazu passend Söckchen, zwei Schmetterlinge und zwei wunderschöne Blumen. Selbst an die gehäkelten Bänder zum Verschließen hatte sie gedacht.
Sie schaute mich fragend an, ob es gut genug wäre.
Und ich? Ich hatte Tränen in den Augen.

Dann zauberte sie aus ihrer Tasche auch noch einen pinken Schlafsack. Es sei noch nicht fertig, da müssten noch Knöpfe dran. Sie legte zwei wunderschöne gehäkelte Sterne dazu und schaute mich fragend an.

In meinem Kopf ratterte es. „Ich brauche Knöpfe. Ich habe noch kein grün, aber wir brauchen hier schöne Knöpfe!“
Ich hatte von meiner Tochter eine kleine Puppe dabei, so eine Kleine aus der DM, die ich reparieren sollte. Wir packten probehalber das Püppchen hinein und dann hatten wir alle einen Kloß im Hals. Plötzlich wurde es real, konkret. „Das ist zu klein!“, meinte eine der Frauen erschrocken. Und ich weiß nicht, ob sie die Decke meinte, oder das gedachte Kind. „Zu klein zum Leben“, sagte ich leise. Und ich wünschte mir so sehr, dass die Liebe, die wir in dem Moment empfanden irgendwie in die Wolle reinkommt, dort haften bleibt bis zu seinem Bestimmungszeitpunkt, um das Kind einzuhüllen und den Eltern ein klitzekleines bisschen Trost zu geben und das Gefühl nicht ganz alleine zu sein.

Das was wir hier tun ist für Menschen. Von Menschen. Es geht hier gar nicht nur um das schnelle Herstellen von Kleidung und Erinnerungsteilen. Es ist so viel mehr. Und das berührt mich gerade so ungemein.

Wir kommen ins Gespräch. Über alle Sprachbarrieren hinweg, teils mit Händen und Füßen. Wir erschaffen etwas gemeinsam mit einem offenen riesigen Herzen. Es geht um Anerkennung und Selbstwertgefühl. Wir bringen uns Fachwörter bei auf Deutsch, machen erste Schritte an der Nähmaschine und der Häkelnadel, lernen Stricken. Wir bringen uns gegenseitig die Basic und die Kniffe bei, trinken Tee und sprechen über etwas, was uns verbindet, egal welche Sprache uns unsere Mutter beigebracht hat.

 

Annette Täger

 

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