Tag „x“ und „hibbeln“
So kam dann das erste Mal dieser Behälter zu uns… Natürlich versucht man es daheim etwas romantisch zu gestalten. Und sicher war es hier vom Gefühl her hundert Mal angenehmer als in einem Zimmer in einer Klinik. Hier fühlte man sich wohl, sicher und vor allem geborgen. Hier konnte man sich fallen lassen.
Für mich war es etwas einfacher, weil Sperma nichts Neues für mich war. Doch für Melanie… Für Melanie war es eine große Überwindung. Vor allem, weil sie es war, die damit „hantieren“ sollte. Doch es klappte soweit alles ganz gut. Dieses Gefühl war schon komisch. So anders. Natürlich konnten wir uns beide nicht so fallen lassen wie sonst. Doch wir wussten, wofür es war und dass wir es wollten.
Die Warterei kennt jede Frau, die diesen Wunsch hegt. Bei uns kam noch die Ungewissheit dazu, ob wir es denn „richtig“ gemacht haben. Es ist ja dann doch noch einmal etwas anderes. War es zu tief? Zu schnell? Nicht tief genug? Zu langsam? Waren die Samen noch aktiv genug? Hatten wir zu lange gewartet damit? Fragen über Fragen.
Und dann kam Flo… Aufgrund meiner Mens-App, die so hieß, nannten wir die Menstruation selbst auch so. Flo brach mir das Herz. Klar. Warum sollte das Glück mit uns sein und uns ein Wunder beim ersten Versuch gewähren. Aber etwas niederschmetternd war es dann doch. Hatten wir so sehr gehofft, alles richtig gemacht zu haben, und das mein Körper bereit war. Dem war jedoch nicht so.
Drei weitere Versuche waren vergeblich. Vier Monate hintereinander und jedes Mal das ernüchternde Ergebnis. Und die Spardose leerte sich.
Das Gefühl
Ein letztes Mal. Ich bat Melanie um ein letztes Mal im Jahr 2018. Es war mein Zyklus im Juni. Ich hatte so ein positives Gefühl in mir. Ich fühlte mich irgendwie bereit und voller Hoffnung.
Dann kam der ersehnte Tag. Dieser eine Tag laut Flo… Meine Periode blieb aus. Dies hatte jedoch nicht allzu viel zu sagen bei mir. Ich hatte schon desöfteren einen unregelmäßigen Zyklus. Aber ich hatte so ein Gefühl. So ein Gefühl, ganz dringend einen Schwangerschaftstest machen zu müssen. Aber diesmal mit einem positiven Gefühl. Die Monate zuvor war es diese Hoffnung, es könnte geklappt haben. Doch diesmal war es Zuversicht.
Ich weiß es noch wie damals. Und mir laufen die Tränen über das Gesicht, wenn ich an diese Erinnerung denke. Ich sitze gerade am selben Platz am Küchentisch, während ich diese Zeilen schreibe. Und schon wieder merke ich ein Stück meines Herzens brechen.
Ich saß damals da und war ganz ruhig und gleichzeitig innerlich total hibbelig. Meine Frau legte den Test auf den Tisch und legte ein Blatt darauf. Sodass keiner von uns ständig draufstarrte. Währenddessen las sie noch einmal die Anleitung. Für sie war das alles noch so neu und sie interessierte sich mächtig dafür. In meiner Jugend hatte ich schon den einen oder anderen Test in der Hand gehalten. Wie es halt so ist, wenn man jung und dumm ist – und unter Drogeneinfluss steht…
Ich starrte abwechselnd von der Uhr zu diesem Blatt und wieder zurück. Wie verdammt lang diese Zeit sein kann. Unfassbar. Als die Zeit vorbei war, guckte ich sie an. Ich starrte sie an. Melanie guckte vorsichtig unter den Zettel. Legte ihn wieder ab. Und guckte kurz danach wieder unter den Zettel. Ich starrte sie weiter an. Konnte doch nichts in ihrer Mimik erkennen. Sie war irgendwie erstarrt. Sie nahm den Test in die Hand, schaute noch einmal drauf und sah mich dann an. Dieser Blick… Er sagte mehr als tausend Worte. Wie immer, wenn sie diesen Blick hat.
Ich fragte nur: „Wirklich??“, und sie nickte und fing zu grinsen an. Ich schrie die ganze Wohngegend zusammen, sprang auf und tanzte im Kreis, hüpfte fast bis an die Decke und nahm diese wundervolle Frau mir gegenüber ganz fest in den Arm, während Tränen voller Freude über mein Gesicht liefen. Der Strich war so sehr zart. Kaum sichtbar. Und doch war er da. Nach der ersten Aufregung kam die Frage auf, ob dieser zarte Strich wirklich ganz sicher positiv heißen sollte. Also ging das Suchen bei „Dr. Google“ los. Viele sehr ähnliche Tests hatten wir gefunden. Alle sagten, es gäbe kein bisschen schwanger. Also war es echt. Wir sollten schwanger sein??? So ein Wunder und das nur für uns??? Hatten wir so viel Glück denn wirklich verdient?
Ganz nach dem Motto: Manchmal triffst du Entscheidungen im Leben und manchmal treffen die Entscheidungen dich.
Weiteres Hibbeln
Sehr bald folgte der Besuch bei der Frauenärztin, welche mich eigentlich erwartete um Blut in den ersten 3 Menstruationstagen abzunehmen, um meinen Zyklus zu kontrollieren und zu schauen, ob alles gut wäre. Sie lächelte uns an, als wir ihr erzählten, was wir Tage zuvor in den Händen hielten.
Wir wussten, dass es noch fast zu früh für einen Ultraschall wäre. Doch wenn man in der Pflege arbeitet, muss man sich einfach absichern. Mein Hausarzt hatte mich vorerst krankgeschrieben. Mit meinen Chefs hatten wir ganz offen gesprochen und um Geheimhaltung gebeten.
Sie fand nur einen Mini-Dottersack. Natürlich. Es war nur zu erahnen, dass dieser Minipunkt ein Dottersack sein sollte. Sie nahm Blut ab. So ging das die nächsten vier Wochen. Regelmäßig einmal die Woche gingen wir hin. Der Hcg-Wert stieg nur kümmerlich an. Auch im Ultraschall sah sie nie das, was sie gern gesehen hätte. Doch ich spürte, dass alles gut sei. Wir waren sehr zuversichtlich.
Meine Frauenärztin ging für drei Wochen in den Urlaub, doch ihre Kollegin wäre da. Drei Wochen warten in dieser Ungewissheit? Nein, das wollten wir nicht. Also gingen wir gut eine Woche später zur Kollegin. Und sie gratulierte uns. Vorsichtig, aber sie gratulierte uns. Es war da. Alles. Alles, was zeitlich gepasst hat. Der Wert stieg auch ganz plötzlich gut an. Krümelchen hatte gekämpft!! Für uns. Wir waren schwanger!
Wir umarmten uns anschließend sehr lange und innig. Wir waren so glücklich, alles schien so kunterbunt, fröhlich und einfach nur perfekt. Wie in einer absoluten Traumwelt in Regenbogenfarben.
Dass es kommen sollte, wie es kam, konnte keiner wissen. In all den Wochen und Monaten war alles gut. Alles bilderbuchhaft. Und plötzlich kommt alles anders. Als wollte mir das Leben zeigen, dass ich so viel Glück dann doch nicht verdient hatte.
Umdenken
„Ja wie geht denn das, dass ihr schwanger seid…?“. Diese und so ähnliche Fragen begleiteten uns all die Monate. Natürlich ist jeder neugierig und möchte es wissen. Und sicher ist es auch nicht vergleichbar mit Mann und Frau. Und doch lag mir immer wieder die Frage auf der Zunge: „Und bei euch so? Hattet ihr es im Stehen oder im Liegen gezeugt? Wart ihr daheim, im Hotel oder gar im Auto, als es geklappt hat? Hattest du Handschellen währenddessen an?“ In meinem Kopf kamen tausender dieser dämlichen Fragen zustande. Und doch stellte ich keine einzige davon. Natürlich war es etwas anderes. Aber wirklich? Selbst von Menschen, die nur Bekannte sind? Teilweise sogar kaum das? Manchen reichte zum Glück die Antwort „Samenspende“ aus. Na klar, als ob es vom Himmel gefallen wäre… Wir waren stolz auf unser Baby, erzählten gerne davon. Bitte nicht falsch verstehen. Doch teilweise überrollten einen diese Fragen. Da sie teilweise wirklich sehr intim waren. Dies muss ja dann doch nicht sein.
Unser Regenbogenbaby wurde ab dem ersten Augenblick von so vielen Menschen in unserer nahen Umgebung geliebt. Ich ging noch viele Wochen „arbeiten“. Es war eigentlich hauptsächlich Essen schmieren, PC Arbeit und Seelsorgerin für die Bewohner. Es tat sehr gut, mal viel Zeit für meine Bewohner zu haben. Vor allem dann auch in der palliativen Zeit konnte ich mein Team so sehr entlasten und ihnen das schlechte Gewissen abnehmen, dass diese Person, die da im Sterben lag, die meiste Zeit alleine war. Man kann eben nur alle 20-30 Minuten mal nach dem Rechten sehen und leider nur wenige Minuten bleiben für die Seele, außerhalb der „Versorgungszeit“.
Dann war da dieser eine neue Kollege. Er mochte es nicht, dass ich als Schwangere in ein Sterbezimmer ging. Nicht vor dem Tod und erst recht nicht nach dem Tod. Dies sei ein schlechtes Omen. Ich konnte mit diesem „Glauben“ nichts anfangen. Mir sind meine Bewohner viel zu wichtig und ans Herz gewachsen, als dass ich sie in den schwersten Stunden allein lassen könnte und erst recht nicht, wenn ich sowieso im Haus bin. Doch jetzt im Nachhinein. Sollte man wirklich an so etwas glauben? Schlechte Omen?
Alle Bewohner waren so liebevoll. Und einige, vor allem die geistig Fitten, wissen von Melanie und mir. Niemand fragte nach dem „Wie“. Obwohl gerade die ältere Generation sicher viele Wege nicht weiß. Doch sie freuten sich einfach von ganzem Herzen für uns.
Bauchkrümelchen bekam so endlos viele Streicheleinheiten von meinen Bewohnern. Von unseren Kollegen. Von Familie und Freunden. Fast alle waren so offen und liebevoll. Ein Regenbogenbaby. Wow. Wie toll.
Sicher gab es im Dorf Menschen, die uns fragend anschauten. Sicher wurde getuschelt. „Wie geht das? Ist bestimmt fremdgegangen. Und sie sind dennoch zusammen?“ Doch dies ist eine kleine Menge in einer so großen, liebevollen und verständnisvollen Menge. Warum also sollte man dies überhaupt wahrnehmen? Oder Gedanken schenken? Wir waren glücklich, alles schien perfekt. Unsere kleine, bunte Familie wuchs heran. Es sollte einfach nur ein riesen Traum in Erfüllung gehen. Wir fühlten uns noch verbundener und wohler als je zuvor. Wir planten wie Mann und Frau. Nach und nach besorgten wir Dinge für unseren Bauchzwerg. Wir liebten das Leben. Unser Leben, welches wir selbst gewählt haben. Ohne auf andere gehört zu haben. Ohne schlechtes Gewissen. Glück – ganz groß geschrieben für uns. In bunten Farben.
Fazit Teil 1
Frau und Frau!! Falls es noch jemanden gibt, der dies hier gelesen hat und es trotzdem noch nicht mitbekommen hat…
Eine Frau verliebt sich in eine Frau. Eine Frau hat die tiefsten und stärksten Gefühle für eine Frau, die sie je erleben durfte. Eine Frau verlässt einen Mann für eine Frau. Eine Frau wird von einer Frau so aufgefangen, dass diese Frau von ganz alleine glücklich wird, sich wieder komplett fühlt. Eine Frau lebt mit einer Frau zusammen, hat ein Haus, einen Garten, einen Hund, welcher wie ein Familienmitglied ist. Mogli… Er gibt so viel Halt, ohne es wirklich zu wissen. Er ist immer da. Interessiert sich nicht für Geschlecht, Herkunft, Vorlieben etc. Er hört auf sein Gefühl. Er spürt Liebe. Egal, von wem sie kommt. Er ist besonders. So wie jedes Tier. Denn sie fühlen ohne zu denken!
Diese Frauen gehen eine eingetragene Partnerschaft ein. Und wollen dieses Jahr dies umschreiben lassen als Ehe. Diese beiden Frauen haben jeweils Familien und Freunde. Diese beiden Frauen haben Glück mit ihrem Umfeld.
Unfassbar großes Glück.
Und jeder sollte so eine Familie und Freunde verdienen. Sich glücklich schätzen können, solche Eltern zu haben! War die Mutti ein kleiner Engel namens „Amor“? Und war offen für eine Regenbogenbeziehung für ihre Tochter? Der Gedanke sagt JA!
Fazit Teil 2
Diese Frauen haben einen Sohn. Einen so wunderschönen und perfekten Sohn. Welcher auf Regenbogenwolken über ihnen lebt. Ein kleiner Sternenprinz namens Finn, 25 Wochen im Bauch bei einer seiner zwei Mamas, nur 19 Minuten am Leben, ohne seine beiden Mamas. Es entstand dennoch eine „Familie Steinert“. Für immer, auch wenn es mehr im Herzen als im Leben ist – mit und doch irgendwie ohne Kind.
Diese beiden Frauen stehen auch diese Zeit gerade zusammen durch. Weil diese Frauen sich lieben und respektieren. Auch wenn die eine Frau so viel stärker scheint als die andere, halten sie dennoch zusammen. Weil sie sich lieben und vor allem respektieren. Mit allen Stärken und Schwächen. So wie es sein sollte.
Egal ob einen Regenbogenfarben begleiten oder nicht. Jeder Mensch ist wertvoll. Jeder Mensch hat es verdient zu lieben und geliebt zu werden. Von wem? Ist das nicht egal? ECHT sollte es sein! …und glücklich machen.
Respekt, jeder Mensch hat dies verdient von seinen Mitmenschen. Jeder!