Doch vielleicht kannst du dich daran erinnern. Ich denke, du musst dies immer ganz besonders gespürt haben… Mittwochs kommt Matthias, mein Hausarzt, ja auch immer gegen 8 Uhr morgens zur Visite zu mir auf Station zu seinen Patienten. Und jeden Mittwoch, seit wir von dir wussten, hat mein Herz immer noch schneller geschlagen, wenn Matthias zur Visite kam. Er ist ein toller Arzt und deine zwei Mamis verstehen sich sehr gut mit ihm. Er hat selber Frau und Kinder und hat uns den langen, langen Weg bis zu dir begleitet.
Jeden Mittwoch, seit du Teil unseres Lebens warst, waren wir eine Woche näher an unserem Traumziel. Waren wir eine Woche näher am Entbindungstermin.
Eine Woche näher an den Tag, an dem wir dich endlich liebevoll im Arm hätten halten können.
Wie sehr hatten wir uns auf deinen ersten Schrei gefreut, darauf gefreut, deine schrumplige Haut zu streicheln, deine kleinen Fingerchen zu spüren, deinen einmaligen Duft zu riechen.
Du warst so sehr gewünscht, du warst unser Lebensziel – von Anfang an in unserer Beziehung stand fest, dass wir dich wollten.
Wie waren wir unendlich glücklich, dass du so stark warst und dich durchgekämpft hast. Du hast den Test endlich positiv werden lassen. ?
Du warst so lieb zu mir, hast mir nur gut getan. Die Wassereinlagerungen waren nebensächlich, solange es nur dir gut ging. Du warst so lebendig und hast dich jeden Tag mehrmals bemerkbar gemacht.
Wenn du ein paar Stunden ruhig warst, habe ich mir teilweise schon Gedanken gemacht, ob es dir gut geht in deiner Bauchhöhle.
Finn, ich möchte daran glauben, dass du all unsere Liebe gespürt hast. Von der ersten Sekunde an habe ich unendlich oft meinen Bauch gestreichelt. DICH gestreichelt. Und je größer du wurdest, desto mehr Leute trauten sich, dich auch zu streicheln. All unsere besten Freunde, deine „Tanten“, haben dich bei jeder Begrüßung und bei jedem Abschied gestreichelt. Ebenso wie deine Tante Stephie und ihre Zwerge und Oma Gabi.
Deine andere Mami war auch ganz vernarrt in dich. Sie traute sich immer öfters, mit dir zu sprechen und dich zu berühren.
Ich glaube schon, dass es als „Außenstehender“ etwas befremdlich ist am Anfang, vor allem wenn man noch wenig sieht in den ersten Wochen und noch nichts spürt – doch sie berührte dich jeden Tag. Anfangs war es für deine Mami ein komisches Gefühl… Der Bauch deiner Mami war nämlich vorher schon dick und hat geschwabbelt. Doch du machtest ihn von Tag zu Tag runder, fester und vollkommener. Und umso mehr genoss ich die Aufmerksamkeit für dich.
Du warst einfach bereits in meinem Bauch schon ein kleiner Prinz. UNSER kleiner Prinz.
Wir nannten dich vom ersten Tag an „Kleinstein“. Deine Mami fand dieses Wortspiel irgendwie witzig – der Familienname war darin verstrickt. Sozusagen „kleiner Steinert“.
Der Name bürgerte sich sehr schnell ein bei allen. Und so festigte sich es irgendwie, dass aus dir ein Junge wurde.
Als die Frauenärztin dann bei unserem letzten Ultraschall dachte, Schamlippen gesehen zu haben und diese leichte Prognose ohne Gewähr abgab, war es erst ein komisches Gefühl, denn ich war so ziemlich die einzige, die dachte, dass du ein Mädchen sein würdest. Ich weiss nicht, ob es innerlich ein Wunschtraum war?
Es gab einfach so endlos viele süße Sachen für Mädchen. Vor allem diese Mickey Mouse Kleidchen… Davon hatten wir sogar eins daheim, weil es Tante Julia einmal vor ca. zwei Jahren auf einem Babybasar kaufte. Weil deine Mama eben so auf Mickey Mouse steht. Und aus Spaß sagte ich immer, wenn du doch ein Junge werden solltest, ziehe ich dir das auf jeden Fall einmal an und mache ein Foto… Und du hättest es dann als kleinen, fiesen Gag zu deinem 18. Geburtstag bekommen sollen.
Und nun?
Erleben wir nicht einmal deinen 1. Geburtstag… Wie traurig ist das eigentlich???
Manchmal überlege ich, ob ich eine schlechte Mutter bin, weil ich nicht gespürt hatte, dass du ein Junge warst?
So viele erzählen, sie wussten es schon so früh, was es wird.
Als erstes sagte ich immer, es soll einfach nur gesund und glücklich zur Welt kommen. Erst bei näherem Nachfragen meinte ich dann, dass ein Mädchen schon toll wäre… Doch weisst du was??? Im Endeffekt war es sowas von egal!!! Du hättest mich so glücklich und stolz gemacht.
Du HAST uns stolz gemacht. Du warst Finn – UNSER Finn!!!
Heute ist Mittwoch… Während ich diese Zeilen an dich schreibe, mein kleiner Schatz, hätte die 29.SSW anfangen sollen… Dein Zimmer hätte soweit fertig sein sollen.
Ich wollte ab der 30. SSW nur noch dein Zimmer dekorieren, alles andere sollte fertig sein… Und nun???
Nichts und nun.
Ich sitze hier in schlabbernder Schwangerschaftskleidung, die schon seit einigen Tagen nicht einmal mehr ansatzweise passt und schreibe Zeilen an dich, die dich nie erreichen werden. Ganz einsam sitze ich hier und merke, wie es mich immer mehr zerreißt.
Jeder Atemzug brennt so sehr, dass man es kaum auszuhalten vermag.
Ich werde dich jetzt besuchen gehen, dein kleines Bettchen anschauen gehen, schauen ob noch alle Lichter brennen für dich. Und wie jedes Mal noch ein Stückchen mehr zerbrechen.
Es ist so bitterlich kalt da draußen, Anfang Februar und haufenweise Schnee.
Da liegst du nun, statt bei deinen Mamis zu sein.
WARUM??