Kleiner Astronaut

Unsere Sternenkinder

Heute will ich euch von meinen Sternenkindern erzählen.

Ich bin mittlerweile 31 Jahre alt und habe 4 Sternenkinder.
Im August 2008 kam unser erster Sohn gesund und munter nach einer absoluten Traumschwangerschaft auf die Welt. Alles war so toll.
2010 entschieden mein Mann und ich dann, dass es an der Zeit für ein Geschwisterchen wäre.
Ich wurde schnell schwanger. Bei der ersten Vorsorge sah man nur eine Fruchthöhle. Nicht weiter schlimm, ich war ja erst in der 5. Woche. Also abwarten und in 2 Wochen nochmal zum Ultraschall kommen. Beim nächsten Ultraschall sah man den Dottersack und die Embryoanlage, aber keinen Herzschlag. Ich machte mir keine Gedanken, war ja immer noch recht früh und da war ja was in der Fruchthöhle. Der Arzt maß den Dottersack aus, schaute mich an und sagte: “Das wird eh nichts, wenn demnächst Blutungen kommen, bitte ins Krankenhaus.“ BUMM. Ich saß da auf dem Stuhl und dachte nur: ´Ähm, Moment, was hat der dir jetzt gesagt?´ Ich habe mich angezogen und bin gegangen. Habe mir eine zweite Meinung geholt. Der Arzt sagte, dass alles gut aussieht und es sich evtl. einfach später einnistet, aber er würde sich da jetzt keine Gedanken machen. Nunja, abends setzten leichte Schmierblutungen ein. Ab ins Krankenhaus. Dort Ultraschall gemacht. Embryo mit Herzschlag, aber ganz schwach zu sehen. Also nach Hause und schonen. Mein Mann stellte mir extra den TV ins Schlafzimmer und den Großen brachten wir zur Oma. Mein Mann wollte eigentlich zur Loveparade in Düsseldorf. Er blieb dann Zuhause (was das für ein Glück war brauch ich nicht sagen, oder?) Die Blutungen wurden leider immer stärker und nach 2 Tagen bin ich erneut ins Krankenhaus. Im Ultraschall sah man, dass unser Kind vorm Muttermund lag. Ich blieb über Nacht im Krankenhaus. In der Nacht spürte ich unseren Wurm aus mir rausrutschen. Ich war in der 8. Schwangerschaftswoche. Am 25.7.2010.
Wir haben uns nicht entmutigen lassen. Im Oktober haben wir geheiratet, schon da hatte ich die Vermutung, schwanger zu sein, aber es war noch viel zu früh für einen Test. Am 12.10.10 machte ich den Test und ja, er war positiv. Verhaltene Freude. Ich bin erst Anfang November dann zum Frauenarzt, denn ich wollte einfach nicht wissen, ob das Herzchen schon schlägt oder nicht, falls es wieder zu einer Fehlgeburt kommt. Der Arzt machte einen Ultraschall und ja, da war unser Wurm mit Herzschlag und gut entwickelt in der 10. Woche. Na bitte, was soll jetzt noch schiefgehen. 2 Wochen später dann zum nächsten Ultraschall. Ich konnte einfach nicht glauben, was ich da auf dem Bildschirm sah bzw. nicht sah. Da war kein Herz mehr. Stille, einfach nur Stille. Wieder ist ein Wunder von uns gegangen. Am nächsten Tag, dem 26.11.10, wurde ich ausgeschabt und musste unser nächstes Sternchen ziehen lassen.

Wir beschlossen, die Aktion Geschwisterchen erstmal hintenan zu stellen. Ich wollte wieder arbeiten.
Am 1.3.2011 also fing ich meine neue Arbeitsstelle an. Tja und am 21.3.11 hielt ich dann den positiven Test in der Hand. Es kamen sofort Ängste hoch. Ich freute mich nicht. Doch dieses Kind wollte bei uns bleiben und so wurde im Dezember 2011 unser 2. Sohn geboren.
Im Juli 2013 hielt ich dann wieder einen positiven Test in der Hand und auch dieses Mal ging nach einer Traumschwangerschaft im April 2014 alles gut und wir hielten unserer Tochter in den Armen.
Im März 2016 wieder ein positiver Test. Wieder die Angst. Auch dieses Mal entschied ich mich dafür, erst sehr spät einen Frauenarzttermin zu machen. Ende April. Es waren Osterferien und ich machte noch einen Test. Die Linie war nur schwach zu erkennen, was mich verwunderte, denn ich war „immerhin“ schon in der 6. Woche, da hätte der Test stärker sein müssen. Ich hatte eine leise Vorahnung. Am selben Tag abends bekam ich leichte Blutungen. Ich bin ins Krankenhaus. Auf dem Ultraschall sah man nix. Keine Fruchthöhle, nichts. Ich machte einen erneuten Test. Dieser war negativ. Der Arzt sagte, es hat sich wahrscheinlich nicht richtig eingenistet.
Für mich war das Thema Kinder damit abgeschlossen. Ich hatte 3 gesunde Kinder an der Hand und nochmal eine Fehlgeburt wollte ich nicht mitmachen.
Nunja, im April wartete ich auf meine Periode, sie kam nicht. Ich dachte erst ok, vielleicht ist dein Körper noch nicht so weit. Als ich dann aber gut 4 Tage überfällig war, machte ich einen Test. POSITIV. Ich dachte, mich trift der Schlag. Wie konnte das sein, wir haben verhütet. Dann kam mir die Überlegung, vielleicht waren es Zwillinge und wenn einer abgeht, sinkt kurzzeitig das CTG. Ich hatte den Frauenarzttermin nicht abgesagt und ging also hin, in dem Glauben, dort einen 13 Wochen alten Fötus auf dem Bildschirm zu sehen. Aber dem war nicht so. Es war eine neue Schwangerschaft. Da war eine kleine feine Fruchthöhle. Ich saß da und wusste nicht, was ich sagen sollte.
Die Wochen Schritten voran und der kleine Krümel krallte sich fest. Bis dann der Abend des 28.9.1016 kam. Ich war bei 26+6. Ich stand vom Sofa auf und hörte es knacken. Dachte mir aber nix dabei. Ging ins Schlafzimmer und merkte, dass meine Unterhose feucht wurde. Also ab zum Klo. Beim Abputzen sah ich es, meine Fruchtblase war geplatzt. Ich konnte es nicht glauben. Wieso? Es war doch alles gut bis jetzt? Warum bitte sollte jetzt noch irgendwas passieren und der Zwerg nicht bis Dezember in meinem Bauch bleiben? Ich bin dann ins KRH gefahren (ja selber, bis der RTW da gewesen wäre und ich im Krankenhaus, wäre ich allein mit dem Auto schon 3-mal dort). Im Krankenhaus wurde ein CTG gemacht, auf dem nicht eine Wehe zu sehen war. Aber der Fruchtwassertest bestätigte es. Also ab, Verlegung in eine Klinik mit Level 1 Versorgung. In dieser Klinik lag ich dann nun. Es war immer alles ok. Keine Wehen. Am dritten Tag habe ich eine Allergie gegen das Antibiotika entwickelt und es wurde abgesetzt. Mit den Ärzten war vereinbart, sobald meine Blutwerte sich verschlechtern, wird das Kind geholt. Ja und dieser Zeitpunkt wurde von den Ärzten verpasst. In der Nacht vom 15.10. auf den 16.10. bekam ich Fieber. Ich wurde in den Kreissaal geschoben und dort wurde schnell klar, dass jetzt ein Kaiserschnitt gemacht werden muss.
Am 16.10. um 3.25 Uhr erblickte unser (als Mädchen geglaubtes) wunderschöner Junge bei 29+3 das Licht der Welt. Ich durfte ihn kurz sehen und wusste, den erkennst du unter 1000 Kindern wieder. Unser Sohn wurde versorgt, ich wurde versorgt.
Gegen halb 7 bekam ich die erste Info vom Kinderarzt. Alles bestens. Er atmet alleine, braucht nur minimale Unterstützung über CPAP und auch nur minimal Sauerstoff zusätzlich. Es hätte nicht besser sein können. Ich kam auf mein Zimmer und bekam ein wunderschönes Foto. Tja und dann….
Der Arzt kam zu mir ins Zimmer und sagte, dass unser Sohn einen beidseitigen Pneumothorax hatte, dass er voll beatmet werden musste. Sein Entzündungswert war über 40.000. Wie hoch genau, konnten sie nicht sagen, das Labor misst nur bis 40.000. Normal ist ein Wert bis 100. Ab dem Zeitpunkt wusste ich eigentlich schon, wohin unsere, seine Reise geht. Sein Papa war zum Glück zu dem Zeitpunkt schon auf dem Rückweg vom Urlaub zu uns.
Ich lag da im Bett, konnte mich nicht bewegen, nicht aufstehen. Nicht zu meinem Sohn. Das Einzige was ich wollte, zu ihm, bei ihm sein, ihn unterstützen, für ihn da sein. Ich konnte nicht.
Die Patentante kam. Ich wollte zusammen mit ihr zu ihm. Aber ich brach zusammen. Zeitweise standen 3 Schwestern um mich und wussten nicht weiter. Dass es auch Scheiße um mich stand, sagte mir keiner. Nicht an diesem Tag und später auch nicht. Das erfuhr ich erst, als ich längst wieder zu Hause war. Kommunikation wurde in diesem Krankenhaus nicht großgeschrieben. Nicht auf dieser Station.
So konnte ich erst abends zu meinem Sohn. Er war schon 17 h alt, als ich ihn das erste Mal sah. Als ich seine wachen und so klugen Augen sehen durfte, ihn spüren und streicheln. Man sagte mir, er sei stabil, ich brauch mir keine Sorgen machen. Und so ging ich erstmal beruhigt wieder auf mein Zimmer und wartete auf seinen Papa.
Sein Papa kam erst sehr spät abends, zusammen gingen wir noch mal kurz zu dir. Um dann in der Hoffnung, morgen länger bei dir sein zu können, ins Bett zu gehen. Die Schwestern waren so lieb und stellten ein Bett in mein Zimmer, so, dass sein Papa mit bei mir schlafen konnte und nicht wieder nach Hause musste.
17.10.2016
Es ist kurz vor 6 Uhr. Sein Papa hat sich gerade angezogen, da er nach Hause zur Oma muss, denn dort war unsere Tochter und Oma musste arbeiten. Wir haben uns verabschiedet und Papa wollte gerade zur Tür hinaus, als die Schwester die Tür aufmachte und sagte, wir sollen zu unserem Sohn kommen.

Ich wusste sofort, was Sache ist. Unter Tränen sind wir hoch gegangen. Der Arzt empfing uns und bat uns zum Gespräch. Das Blut ist übersäuert und die Werte werden halbstündlich schlechter. Er muss wieder voll beatmet werden. Hat schon einige Bluttransfusionen und Plasmaspenden erhalten und doch hat sich nichts an seiner Situation geändert. Sie können ihm nicht mehr helfen. Es liegt nun allein an ihm, wie es weitergeht, aber Hoffnung machen sie uns nicht. Sie fragten, ob wir ihn taufen lassen wollen. Ja, auf jeden Fall. Seine Patentante und der Pastor wurden angerufen. Ich hoffte, dass sie es noch rechtzeitig schafften. Ich saß da an seinem Bettchen. Er war so wach. Hatte ganz große Augen, die genau wussten, wohin der Weg ihn führt. Er schaute mich an, als wenn er mir sagen würde: “Mama, es ist ok, ich brauche hier auf Erden eh nichts mehr lernen. Ich weiß alles.” Ich streichelte ihn und bat ihn zu kämpfen, sagte ihm aber auch, dass, wenn er keine Kraft mehr hat, es ok ist und wir ihn lieben. Wir gehen jeden Weg mit ihm, den er gehen will. Dann war es soweit. Seine Patentante war da und der Pastor auch. Er bekam einen wunderschönen Taufaufleger und eine Kerze wurde entzündet und er wurde getauft.
Keine 10 Minuten nach der Taufe sank sein Herzschlag, seine Sauerstoffsättigung fiel. Er begann seine Reise. Ich bekam ihn das erste und einzige Mal noch lebend auf den Arm. Durfte ihn halten und spüren. Seine Wärme, seine zarte makellose Haut. Durfte ihn streicheln, ihm Lebewohl sagen. Ich weiß nicht, wann sein Herz genau aufgehört hatte, zu schlagen, aber ich merkte, wie seine Seele den Körper verließ. Um 8.23 Uhr, nach knapp 29 h auf dieser Erde, wurde das Beatmungsgerät abgeschaltet und er hatte seinen Flug zu den Sternen geschafft.
Mein kleiner Astronaut, nie wirst du hier unten vergessen. Egal, wo wir sind, du bist bei uns, das spüre ich jeden Tag. Es ist so schwer ohne dich hier. <3

JONTE 38cm 1270g *16.10.2016 +17.10.2016

 

A.

 

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