Freitagabend, fast Schlafenszeit; Fernseher läuft;aber so richtig ist nichts im Programm und die Fernbedienung liegt irgendwo, deshalb heißt es ja auch Fernbedienung, immer fern vom Platz, wo sie eigentlich liegen sollte, also läuft da irgendwas. Mein Blick geht nach draußen.
Der Mond scheint hell, hat die Form einer schmalen Sichel, zunehmend, und ein paar Sterne sind trotz Wolken auch zu sehen. Ich liebe diesen Blick in den nächtlichen Himmel. Wer da jetzt noch so spät auf uns runter schaut, sind meine Gedanken paar Minuten lang, danach drehe ich eine Runde durch meine Wohnung, suche etwas, wonach? Hmmm, ich weiß nicht so richtig, was ich jetzt machen könnte … weil müde bin ich noch nicht so richtig.
Aaaaah, schnell noch die Nähmaschine vom Küchentisch zur Seite stellen, denn morgen wird er erst mal wieder ein Frühstückstisch. Einige Zuschnitte liegen noch zum Fertig machen, da kommt mein Handy zufällig ins Blickfeld und blinkt. Hast schon lang nicht mehr geschaut, denk ich so, glaube 5 min … schmunzel … eine laaaange Zeit.
Beim Scrollen durch die Nachrichten werde ich aufmerksam auf einen Beitrag.
In meiner Gruppe schrieb ein Mitglied, daß ihre Freundin, eine Mama von einer 17 jährigen Tochter, um Hilfe bittet.
In der 10. Schwangerschaftswoche schlägt das kleine Herzchen nicht mehr und es steht eine Abrasio uteri (Ausschabung der Gebärmutter) bevor.
Unvorstellbar, was dies in einer Mama auslöst.
Der Termin steht noch nicht fest, es ist so traurig, oft fehlen die richtigen Worte,darauf zu reagieren. Ein anderes Mitglied schlug vor, die Gruppe mit den kleinen Bärchen zum Trost zu kontaktieren, was ich sehr liebevoll fand.
Nach kurzem Sammeln meiner Gedanken habe ich sie angeschrieben, ob sie wüsste, welche Einrichtung es wäre. Die Antwort war ein Krankenhaus in Berlin.
Die Lampen in meinem Kopf gingen an und glühten, da einige Krankenhäuser in Berlin von uns betreut werden. Es war nicht schwer, herauszufinden, wer dieses KH versorgt, da es eine ganz tolle Aufstellung in unserer Fördermitgliedergruppe von S&F gibt, wo alles festgehalten wird, welche Einrichtung von wem und ob es für Sternchen und Frühchen ausgestattet ist. Das Schöne daran: Wir fanden heraus, die Einrichtung wurde erst letzte Woche kontaktiert und mit allem Notwendigen versorgt.
An dieser Stelle ein herzlichen Dank an alle ehrenamtlichen Helfer.
So konnte ich die Information weiter geben, daß die Schwestern der Einrichtung Bescheid wissen über die Sternchen-Versorgung der Familien.
Das ganze Hin- und Herschreiben dauerte gerade mal 30 Minuten.
Es ist immer wieder schön, wie schnell die Verbindung zwischen Mitgliedern anderer Gruppen, Sternenzauber& Frühchenwunder e. V. und Betroffenen funktioniert und bin darauf so stolz, stolz auf jedes einzelne ehrenamtliche Mitglied.
Immer wieder läuft es mir kalt den Rücken hinunter, daran zu denken dass ein so junges Mädchen, solch eine Erfahrung machen muß, selbst fast noch ein Kind, das wünscht man keinem und dies sucht sich auch keine Mama und kein Papa aus.
Beide möchten stolz sein auf ihr Baby, doch überwiegt die Trauer. So bleibt oftmals nur ein Foto von ihrem kleinen Sternchen und wer sich traut, teil es auch öffentlich.
Ich schreibe bewußt “traut”, weil es leider in der Gesellschaft nicht für selbstverständlich angesehen wird, auch ein Sternchenfoto zu zeigen.
Manchmal bin ich so schockiert, wenn ein Sternchenfoto im Netz negativ kommentiert wird. Warum? Es ist auch ein Kind der Liebe, wie jedes andere.
Diese Eltern dürfen ihr Sternchen nur eine kurze Zeit im Arm halten,wenn es überhaupt sehen. Kein gemeinsames Kuscheln, kein erstes Lächeln, keine ersten Laute oder Schritte, alles wird verwehrt, wenn das Baby zu den Sternen reist.
Jeder darf stolz seine Bilder teilen und sein Kind zeigen, es ist ganz allein die Entscheidung der Eltern und es hat keiner das Recht, dieses ins Negative zu reden.
Jeder ist Mama und Papa, der ein Kind an der Hand halten darf, oder es im Herzen trägt.
Bevor man schreibt, sollte man doch überlegen: Wie würde man selbst mit diesem schweren Erlebnis umgehen?
Ich bin froh, dass immer mehr Eltern etwas darüber erfahren und wissen, im Krankenhaus werden sie trotz des schweren Schicksals aufgefangen. Und wünsche mir viel mehr Respekt durch die Gesellschaft für die betroffenen Eltern.
Vielleicht regt es den ein oder anderen zum Nachdenken an und wenn nicht, dann einfach mal in sich halten.
Nun zeigt die Uhr schon 1:26 Uhr. Der Mond und die Sterne sind jetzt von Wolken bedeckt. Ich glaube, dann ziehe ich mir auch die Decke über den Kopf und freue mich auf meinen Tisch, der nach dem Frühstück wieder zum Nähen umfunktioniert wird. Liebe Grüße an alle Sternchen die für uns, jeden Abend, hell am Himmel leuchten.
Marlen