Es fasziniert mich immer, wenn ich entsprechende Literatur lese, wie viel man inzwischen über Frühchen und auch über die Folgen einer zu frühen Geburt weiß.
Ich selbst bin 1974 6,5 Wochen zu früh geboren.
Mit meinem Gewicht und meiner Größe hätte ich vermutlich heute nur ein Lächeln erzeugt. Ich wog 2150g und war 42 cm groß. Da meine Erinnerung an diese Zeit natürlich nicht vorhanden ist, kann ich nur wiedergeben, was man mir erzählt hat. Scheinbar hatte ich doch einige Probleme. Jedenfalls musste ich 6 Wochen in der Klinik bleiben.
Heute weiß man über Folgeschäden bzw. über die Folgen eines viel zu frühen Starts einiges. Wusste man das bei mir auch schon? Haben mir meine Eltern da etwas verschwiegen? Ich werde es nicht mehr erfahren, denn ich kann sie nicht mehr fragen.
Vor 5 Jahren hat man festgestellt, dass ich wohl von Geburt an ein PFO habe, also ein Loch im Herzen. Frühchen sind davon öfter betroffen als reif geborene Kinder. Meines ist wohl so klein, dass man es nicht verschließen muss.
Was für Folgen gibt es wohl noch von meinem zu frühen Start? Würde man es überhaupt damit in Verbindung bringen?
Ich liebe es zum Beispiel unter meiner Gewichtsdecke zu liegen, ist dieses beruhigende Gefühl auf meinen zu frühen Start zurückzuführen?
Ich kann bis heute noch nicht in absoluter Stille und absoluter Dunkelheit schlafen. Und auch nur ganz schlecht, wenn mein Partner nicht neben mir liegt.
Liegt es daran, dass auf der Frühchenstation damals immer ein gewisser Lärm- und Lichtpegel vorhanden war? Oder daran, dass man damals die Frühchen 1x am Tag, für 1 Stunde über eine große Glasscheibe sehen konnte? Ohne Körperkontakt? Ohne Känguruhen? Ohne Stillen?
Ich hatte bei Geburt einen Nabelbruch, der wohl bis im Teenageralter verwachsen ist. Ich hatte jedoch so lang ich mich erinnern kann oft Bauchschmerzen, immer dann, wenn ich mich nicht wohl fühlte, Angst hatte, mir etwas nicht „geheuer“ war. Auch heute noch reagiere ich in verschiedenen Situationen mit Bauch- bzw. Gelenkschmerzen.
Geht das auf meine Frühgeburt zurück?
Ich weiß nicht immer, was ich will, dafür weiß ich umso besser, was ich nicht will. Und wenn ich etwas nicht will, dann helfen auch die besten Strategien und die besten Argumente nicht.
Viele sagen, ich wäre zickig. Aber bin ich wirklich zickig, oder ist es nicht doch auf die frühe Geburt zurück zu führen?
Oft lese ich auch von verschiedenen Verhaltensweisen von Kindern, die im Kindergarten bzw. Grundschulalter sind, was man heute alles gesichert auf ihren zu frühen Start zurück führt. Fast jedes Mal gehen mir die Gedanken durch den Kopf: „Reden die von mir in dem Alter?“ oder „Ach schau an, so war ich auch!“
Nur wurde es bei mir damals nicht in Verbindung mit meinem zu frühen Start gebracht.
Ich war immer „die Schüchterne“, „die Kleine“, „die Zarte“, „die Ruhige“, ich kann mich nicht erinnern, dass jemals jemand gesagt hätte „sie war ein Frühchen, es liegt an ihrem zu frühen Start ins Leben, an der Trennung nach der Geburt“.
Leider wird man wohl nicht mehr feststellen, was von meinem Verhalten und meiner Gefühlswelt darauf zurück zu führen ist, dass ich ein Frühgeborenes war. Interessieren würde es mich dennoch.