Es ist Frühling. Das Fenster im Schlafzimmer ist offen. So wie eigentlich das ganze Jahr über. Doch nun hört man, wie sich die Vögel gegenseitig etwas zu zwitschern, wie Kinder lachend auf der Straße spielen, man spürt einen lauen Windzug und weiß, es ist Frühling. Die Sonne lacht zwischen den Rollladenspalten durch. Ich liege auf dem Bauch, ich spüre das warme Sonnenlicht, wie es meine Haut umschmeichelt. Ich sehe, wie mein Arm in Sonnenlicht getaucht ist. “Geh raus in die Sonne, das ist gut für deine Psyche, hilft gegen deine Depressionen”, höre ich die Stimme meiner Ärzte, Familie und Freunde. Hm.
Es ist mittlerweile schon mittags. Die Nacht über bin ich wieder einmal hellwach gewesen, erst spät morgens eingeschlafen. Da bleibt man dann eben mal zwei oder drei Stunden schlafend liegen, auch wenn es schon mittags ist. Aber ja, ich könnte einmal raus gehen. Also ziehe ich mir etwas an, mache mich etwas zurecht (Haare kämmen, Zähne putzen und Gesicht waschen reicht mir völlig aus zurzeit…), nehme den Hund an die Leine, setze uns ins Auto und fahre zu unserem “Gassi-Platz”. Der Hund freut sich seines Lebens, denn den täglichen, großen Spaziergang gibt es momentan meist nur im Dunkeln.
Doch heute gab es einmal wieder einen Versuch. Einen Versuch in das “normale, geregelte” Leben zurück. In dieses “Ich bin dann mal glücklich”- Leben. Ich spüre die Wärme auf meiner Haut. Allerdings auch nur, wenn ich mich ganz stark darauf konzentriere. Ich weiß, dass die Felder sprießen in der warmen Luft. Ich weiß, dass die Bäume neu ergrünen, dass die Vögel zwitschernd in den Lüften hängen, so vogelfrei und unbeschwert ihre Runden ziehen, dass die Blumen wachsen, das Bachwasser plätschert.
Und doch, kann ich all das nicht wirklich sehen. Ich sehe alles grau in grau. Es ist trübe, kalt und ich fühle mich unwohl. Die Kapuze von meinem Sweatshirt hängt mir in die Stirn. Ich setze mir die Kopfhörer auf und ganz plötzlich fühle ich mich irgendwie frei. Nein, die Welt um mich ist immer noch grau in grau. Doch ich kann es spüren. Das warme, wohlige Gefühl der Sonne. Auch ohne mich stark darauf konzentrieren zu müssen. Mein Leben läuft also in schwarz/weiß vor mir ab. Doch ich weiß, dass es auch bunte Momente in meinem Leben gibt. Ob allerdings dieser Frühling im Jahr 2019 je bunt für mich sein wird, kann ich nicht sagen. Doch mit viel Arbeit, viel Liebe und Geduld, blüht mein Sommer vielleicht etwas bunter, als es der Frühling dieses Jahr wahrscheinlich je tun wird für mich.
Alles, was ich mir geben muss, ist Zeit. Zeit zu begreifen, dass die Welt auch ohne mein Sternenkind an meiner Hand bunt sein kann. Mit meinem Sternenkind im Herzen. Alles, was ich brauche, ist Zeit.