Geboren wurde ich im Oktober 1961 in der 29. Schwangerschaftswoche.
Ich wog 1367g und war 36cm groß.
Denkbar schlechte Voraussetzungen zu dieser Zeit.
Meiner Mutter wurde zu Geburtsbeginn gesagt, dass es sehr geringe Überlebenschancen für mich gäbe. So kam ich auf die Welt und konnte nur mit leichter Unterstützung atmen. 20 Minuten nach meiner Geburt erblickte mein Zwilling das Licht der Welt. Da es damals die Möglichkeit des Ultraschall noch nicht gab, waren alle überrascht.
Mein Zwilling ist leider tot geboren. Scheinbar war er schon Wochen vorher im Mutterleib verstorben. Die Hebammen und Ärzte haben ihn sofort entsorgt. Meine Mutter hatte nie die Chance ihn zu sehen oder sich von ihm zu verabschieden.
Ihre ganze Aufmerksamkeit galt nun mir.
Das 1. Mal sehen durfte sie mich nach 6 Tagen. Sie hat alles darum gegeben mich sehen zu können. Leider war es zu dieser Zeit nicht üblich, dass die Eltern auf der Kinderintensivstation sind. Von da an durfte sie mich 1 mal täglich besuchen.
Nach 4 Wochen wurde ich mit knapp 2000g Gewicht entlassen. Und wieder wurde ihr gesagt, dass ich nicht über den Berg bin und sie die Zeit gut nutzen sollte.
Sämtliche Kleidung war mir zu groß. Ich habe von meiner Tante die genähten und gestrickten Puppensachen getragen. Doch das Schwierigste zu dieser Zeit war die Spezialnahrung zu bekommen. Die gab es nur mit Kontakten unter dem Ladentisch.
Meine Mutter hat trotz aller Widrigkeiten und schlechten Prognosen gekämpft. So kann ich nun dieses Jahr meinen 60. Geburtstag feiern. Dank ihrer Fürsorge bin ich nun dreifacher Papa und siebenfacher Großvater. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, was sie hier hat leisten müssen und welche Möglichkeiten es jetzt für alle kleinen Kämpfer gibt.
Gebt die Hoffnung nicht auf!
Auch wenn die Lage aussichtslos erscheint, es lohnt sich zu kämpfen.
2 Gedanken zu “Frühchen in der DDR”
Ich habe Gänsehaut bekommen und Tränen in den Augen beim Lesen der Zeilen. Selbst Mutter von 2 Töchtern, deren Schwangerschaften jedesmal Risikoschwangerschaften waren, und 6 Fehlgeburten, kann ich es sowas von nachvollziehen, wie sich die Mutter gefühlt haben muss. Sich von einem toten Kind nicht verabschieden zu können, zerstört die Seele.
Ich habe ein Kind in der Wendezeit bekommen und eins 2000. Es lagen Welten dazwischen. Wie beschrieben, sah auch ich mein Kind erst nach Tagen, weil es Neugeborenengelbsucht hatte. Es zerriss mir fast das Herz, dass ich in der Zwischenzeit mein Kind nicht sehen konnte. Als ich fragte, was es denn zu Essen bekommt, wenn ich es nicht Stille, bekam ich zur Antwort: „Machen sie sich mal keine Sorgen, wir kümmern uns schon.“ Als 20-jährige kam ich mir vor als hätte ich meine Persönlichkeit an der Pforte abgegeben. 2000 habe ich eine andere Betreuung der Mütter und Kinder erlebt. „Was möchten sie? Rundbett, Wassergeburt, Musikzimmer?“ Anfangs war ich völlig überfordert – was wollen sie. Es hatten doch immer andere für mich entschieden. Schön, dass es eine so positive Veränderung in der Betreuung gibt. Mein 2. Kind war von der Sekunde der Geburt bis zur Entlassung in seinem Bettchen neben mir im Zimmer. Wie schön!!! 🙂
Hallo Anja,
erstmal der Verlust deiner 6 Sternchen tu mir sehr Leid.
Es ist echt hart zu hören wie man früher mit Müttern umgegangen ist. Deshalb ist es um so schöner, dass es sich zum besseren geändert hat.
Es ist schön, dass du mit deinem zweiten Kind eine sooo viel bessere Erfahrung machen konntest.
Viele Grüße,
Sarah