25. November – Roses Revolution Day

Heute ist der Roses Revolution Day – der Gedenktag zu Gewalt in der Geburtshilfe 🌹

Bis vor ein paar Jahren war mir gar nicht bewusst, dass es Gewalt während der Geburt geben könnte. Ich habe gedacht, dass schlimmste an der Geburt wären die Schmerzen oder dass die Hebamme feststellt, dass etwas mit dem Baby nicht stimmt. ABER nachdem immer mehr meiner Freundinnen und Freunde Eltern geworden sind, hab ich Dinge erzählt bekommen, die ich niemals für möglich gehalten habe. Ich kann immer noch kaum glauben wie man Frauen, aber auch die Partner, so traumatisieren kann.

Heute legen Weltweit Frauen Rosen vor die Türen des Kreißsaales in dem sie Gewalt erlebt haben. Lasst sie uns unterstützen und dafür sorgen, dass diese Gewalt ein Ende hat.

Für die Menschen, die, wie ich, sich das nicht vorstellen konnten was so passieren kann, hab ich hier einen Erfahrungsbericht einer Mama.

“Sehr geehrte Damen und Herren,

ich wende mich jetzt erst mit diesem Schreiben an Sie, weil ich erstmal die Kraft und den Mut finden musste, diese Zeilen niederzuschreiben.

Vorab möchte ich eindringlich erwähnen, dass das im Folgenden geschilderte sich ausdrücklich NICHT auf die Station 5c bezieht.

Am 24.06.2020 wurde ich zur Einleitung der Geburt meiner Tochter aufgrund meines Schwangerschaftsdiabetes einbestellt. Nachdem ich das Einleitungsmedikament bekommen hatte, gab es in mehreren Abständen eine CTG-Kontrolle. Bei einer dieser CTG-Kontrollen durfte ich dann auch Bekanntschaft mit der Beleghebamme machen, die offensichtlich gar kein Verständnis hatte, dass ich auf eine Nachsorgehebamme verzichte. Sie erzählte mir durchgehend, dass ich nicht richtig handle, stellte mir „Was wäre wenn-Fragen“ und sagte mir ganz deutlich, dass ich sowieso nicht klarkommen würde. Was sie nicht wusste, ich komme auch aus dem Gesundheitswesen.

Allerdings finde ich es doch schon höchst seltsam, sich so einer erstgebärenden Mutter gegenüber zu verhalten, ja sie gerade zu verunsichern zu wollen und ihr klarmachen zu wollen, dass man jetzt schon verloren habe, da man niemanden hat, der den Dammriss versorgt und einem sagt, wie man das Baby zu baden hat.

Schöner erster Eindruck, der sich im Laufe der Nacht noch verschlimmern sollte.

Meine Wehen fingen gegen ca. 00:00 an und um 01:30 hatte ich meinen Blasensprung.

So ca. gegen 05:00 wurde ich dann endgültig runter in den Kreißsaal geschickt, um dort meine Hebamme Ramona J. kennenlernen zu dürfen.

Von Anfang an hatte ich das Gefühl, dass ich ihr irgendwie zu viel oder unsympathisch sei oder schlichtweg einfach nur genervt habe, da ich mehrmals gefragt habe, ob ich nun meinen Ehemann anrufen dürfe.

Nach ca. 1 Stunde hatte ich dann endlich die Erlaubnis…

Als mein Ehemann dann endlich da war, wurden wir noch einmal spazieren geschickt.

Zu diesem Zeitpunkt waren die Wehen nach meinem Empfinden sehr stark und ich sagte schon bereits auf dem Parkplatz zu meinem Mann, dass ich das Gefühl habe, dass irgendwas nicht stimmt. Dies kommunizierte ich auch, als wir wieder zurück im Kreißsaal waren, was aber auf taube Ohren stieß.

Mittlerweile bekam Frau J. noch Unterstützung von Frau M..

Meine Schmerzen wurden zunehmend stärker und ja, vielleicht war ich unter der gesamten Geburt eher laut, aber so empfindet jede Frau Schmerzen nun mal anders, gerade als Erstgebärende, wo man gar keine Ahnung hat, was auf einen zukommt.

Anstatt mir in diesem Stadium aber einfühlend zuzureden, wurde mir quasi vorgehalten, dass ich ja eingeleitet worden sei und ich das ja so wollte (das stimmt nicht!) und da seien die Schmerzen nun mal stärker. In der Zwischenzeit wurde ich mit allerlei homöopathischen Mitteln versorgt, ob ich wollte oder nicht. Auf meiner Nachfrage hin, was das für Globuli seien, wurde mir gesagt, das sei Pulsatilla und das sollte ich mir nach der Geburt zügig anschaffen, da es hormonregulierend sei und so Menschen wie ich das dringend benötigen.

Da frage ich mich, was sind denn so Menschen wie ich?

Des Weiteren wurde mir Lachgas zur Schmerzminderung angeboten. Soweit so gut, nur unter einer Wehe fand ich es eher unangenehm mir die Maske vor das Gesicht zu halten. Mir wurde davon schlecht und ich hatte das Gefühl, ich krieg keine Luft mehr. Als ich dies kommunizierte, wurden nur die Augen verdreht und mir die Maske fester an mein Gesicht gedrückt mit den Worten, ich solle doch mal kooperieren und dass es ja schlimm mit mir sei, weil alles, was man mir anbieten würde, wäre ja umsonst.

Es tut mir leid, wenn ich mich irre, aber so ein Verhalten finde ich doch extrem übergriffig.

Ich sprach Frau J. auch direkt darauf an, dass ich das Gefühl hätte, sie könne mich nicht leiden und dass irgendwo die Kommunikation nicht stimme. Daraufhin erwiderte sie, sie fände es nur schlimm, wenn sie merke, jemand würde sich so sperren und so Menschen wie mich müsse man dann einfach mal anschnauzen und Tacheles reden, damit das hier mal wieder läuft.

Ehrlich gesagt, ich bin und war fassungslos. Nochmal, ich würde gerne wissen, was sind denn so Menschen wie ich und nein, ich habe mich nicht gesperrt, ich hatte einfach keinerlei Unterstützung von einer Person, der man doch vertrauen sollte in solch intimen Momenten. Ja, ich äußerte auch hin und wieder, dass ich Angst habe, aber haben das nicht ganz schön viele erstgebärende Frauen? Ist dieses Gefühl nicht völlig legitim und normal?

Nach dieser kurzen Konversation ging Frau J. wieder in das Hebammenzimmer, welches dummerweise direkt neben dem Kreißsaal 1 liegt.

Mein Rat an diese beiden Damen: Wenn man sich schon zurückzieht, um über die Patientin herzuziehen, dann doch bitte so, dass die Patientin nichts mitbekommt.

Dank ihnen weiß ich jetzt, dass ich fürchterlich und ein Schreihals und noch vieles mehr bin.

Danke!

Jetzt kamen wohl 2 der traumatisierendsten Momente während der Geburt für mich.

Ich äußerte den Wunsch, auf Toilette gehen zu dürfen.

Beim ersten Mal wurde ich noch gelassen, beim zweiten Mal wurde mir dieser Wunsch verweigert.

Stattdessen wurde mir einfach, obwohl ich das AUSDRÜCKLICH NICHT WOLLTE, ein Katheterschlauch eingeschoben und der Urin wurde einfach abgelassen. Die nächste Aktion der Dame ist auch höchst fragwürdig, zumal sie ja wusste, dass ich zur Toilette musste.

Sie hielt mir also den Beutel voll mit Urin vor die Nase und wackelte hin und her und sagte ganz erstaunt “So viel Urin, Sie mussten ja wirklich zur Toilette”.

Mir liefen eigentlich nur noch die Tränen, aber auch das wurde mir verboten.

Ich solle nicht so viel rumweinen, es gäbe keinen Grund, ich solle mal lieber die Schmerzen annehmen, es sind schöne Schmerzen.

Dass ich aber aus lauter Verzweiflung geweint habe und weil ich mich schon lange nicht mehr so erniedrigt gefühlt habe, daran hat die “empathische” Dame wohl nicht gedacht.

Als Erstgebärende wusste ich auch nicht, dass man mit der Hand bei jeder Wehe den Muttermund untersuchen muss. Eine kleine Vorwarnung oder Erklärung wären hier schön gewesen. Es tat natürlich sehr weh und auf meine Bitte, ob man nicht mal kurz Pause machen könne, kam eine Reaktion als Antwort.

Diese Reaktion sah so aus, dass sie ihre Hand einfach noch tiefer in mich hineinschob und mit der anderen auf meinem Bauch herumdrückte und dabei ständig sagte, dass irgendetwas im Weg sei. Ja ich erwähnte ja schon weiter oben, dass auch ich das Gefühl hatte, dass irgendetwas nicht stimme.

Ich kann es nicht anders beschreiben, in diesem Moment fühlte ich mich wirklich misshandelt.

So geht man einfach nicht mit Frauen um!

Irgendwann wurde ich dann gefragt, wie es mit einer PDA aussähe. Ich stimmte völlig entkräftet zu.

Leider sollte mir diese Art der Schmerzlinderung auch nicht gegönnt sein.

Die Ärzte kamen mit der Kanüle leider nicht durch, alles ok, aber muss man es dann 6 mal versuchen? Ich habe heute noch enorme Schmerzen im LWS-Bereich rechts, die ich auch alle 6 mal beim Setzen der Spritze verspürt habe.

So „nett“ zog sich meine Geburt gefühlt ewig lang noch weiter.

Mir wurde dann auch einfach ein Wehentropf angehangen, obwohl ich das auch nicht wollte und schon da immer wieder nach einen Kaiserschnitt gefragt habe. Ich wollte einfach nur schlafen und nichts mehr mitbekommen. Die Schmerzen und die Erniedrigung waren unerträglich.

Meinem Wunsch wurde dann endlich nachgegangen, nur bis ich endlich “Ruhe” hatte, musste ich mir noch anhören, dass all die Mühe mit mir umsonst gewesen und dass ich einfach nur schrecklich sei. Dementsprechend ruppig wurden mir auch die Thrombosestrümpfe angezogen und irgendwie alles um die Ohren geklatscht.

Als ich daraufhin sagte, dass es reichen würde, bekam ich von Frau M. gesagt, dass es mit mir schon lange reichen würde.

Nach einer weiteren Stunde wurde ich dann in den OP gefahren und es wurde wohl ein Mittel zum Wehenhemmen mitgegeben.

Ich wurde von einem sehr netten jungen Mann in Empfang genommen, der mir sagte, dass er mir glaubt, dass meine Schmerzen so stark seien, er mir dieses Mittel aber nicht spritzen dürfe.

So fragte er, ob das jemand anders machen könne.

Ich wurde wohl wieder sehr laut, ich kann mich daran erinnern, dass mir zu diesem Zeitpunkt der Rücken sehr, sehr wehtat. Daraufhin raunzte mich eine OP-Schwester an, ich solle doch endlich mal ruhig sein, dieses Rumgeschreie hier, ich müsse einfach nur mal ein und ausatmen.

Auch der Chirurg hatte wohl kein Erbarmen mit mir, als ich immer wieder rief “mein Rücken, mein Rücken”, antwortete er nur ” Ja, der Rücken, was glauben Sie eigentlich, wie mein Rücken wehtut, wenn ich Sie gleich lagern muss”.

Auch das überhaupt jetzt ein Kaiserschnitt gemacht wurde, führte im OP-Team wohl zu großen Unmut und man äußerte diesen auch.

Als dann endlich alles vorbei war und ich wach wurde, gab es wohl zwischendurch einen Schichtwechsel und mich empfing eine sehr nette Dame.

Diese Dame sagte zu mir , dass sie mich sehr tapfer fände und sie war wohl verwundert darüber, dass ich ja gar nicht so wie angekündigt sei und hier ja gar nicht rumschreien würde. Des Weiteren sagte sie vorher auch zu meinem Mann, dass bei unserer Kleinen die Nabelschnur schon sehr fest um den Hals gezogen war und es gar nicht weitergehen konnte.

Das hat wohl die erfahrende Hebamme J. gemeint, als sie in mir “gewühlt” hat und meinte, irgendetwas sei im Weg…

Diese gesamte Geburt war für mich und meinem Mann einfach nur traumatisierend.

Sie fragen sich jetzt bestimmt, warum mein Mann nicht öfter eingeschritten ist.

Er hatte einfach nur Angst aus dem Kreißsaal zu fliegen und er hatte Angst, dass man mich dann noch schlechter behandeln würde, wo wir doch auf diese beiden Damen angewiesen waren. Er fühlt sich immer noch sehr schlecht, weil er sich so fühlt, als hätte er mich im Stich gelassen und auch er kann das Geschehene nur schlecht verarbeiten.

Man könnte meinen, jetzt sei alles vorbei. Nachdem wir entlassen wurden, habe ich zu Hause in den Entlassungsbrief geschaut.

Da gab es dann auch noch eine Überraschung.

Die Indikation zum Kaiserschnitt waren meine mangelnde Kooperation und meine Angststörung.

Ich wusste ehrlich gesagt nicht, ob ich lachen oder weinen sollte.

Nochmal: Dass eine Erstgebärende auch mal äußert, dass sie Angst hat, ist völlig normal und mit Verlaub, ich wusste nicht, dass Frau J. nun auch Psychologin war und berechtigt war, solche Diagnosen zu stellen. Ich finde diese Diagnose eine bodenlose Frechheit und mir fehlen da einfach die Worte.

Mein Mann und ich hatten eigentlich den Wunsch, ein 2. Kind zu bekommen. Wie das nach so einer Erfahrung aussieht, können Sie vielleicht erahnen.

Sollte es doch ein 2. Kind geben, dann kommt es garantiert nicht in dieser Klinik zur Welt.”

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Ein Gedanke zu “25. November – Roses Revolution Day”